Freitag, 7. März 2008

Kostenquote bei teilweiser Klagrücknahme

Wird die Klage wegen eines Teilbetrages zurück genommen, ergibt sich die Kostenquote nicht
aus dem Verhältnis des zurück genommenen Betrages zum Gesamtbetrag.
Maßgeblich ist das Verhältnis der Mehrkosten, die auf den zurück genommenen Betrag entfallen, zu den tatsächlich entstandenen Kosten.

(Leitsatz RA. Raudszus)

OLG Schleswig, 1 W37/O7(18 O 156/07 LG Kiel)


Beschluss



In dem Rechtsstreit


- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Raudszus & Partner, 24306 Plön -


gegen


hat der 1. Zivilsenat des Schleswig-Hblsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig durch ..... 3. September 2007 beschlossen:


Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Einzelrichters der 18. Zivilkammer des Landgerichts Kiel wird auf seine Kosten nach einem Beschwerdewert von bis zu 600,-- € zurückgewiesen.


Gründe

Die Klägerin hat die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von ca. 15.000,— € begehrt. Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung nach Antragstellung einen Teilbetrag von ca. 12.000,-- € anerkannt. Die Klägerin hat die darüber hinausgehende Klage sodann mit Zustimmung des Bekiagten zurückgenommen. Das Landgericht hat ein Teilanerkenntnis- und Kostenschlussurteil erlassen, durch das es den Beklagten zur Zahlung des anerkannten Betrages verurteilt und die Kosten zu 8 % der Klägerin und zu 92 % dem Beklagten auferlegt hat. Dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner sofortigen Beschwerde, mit der er eine Kostentragungspflicht der Klägerin zu mindestens 20 % erstrebt.


II.

........

Die sofortige Beschwerde ist jedoch unbegründet, denn das Landgericht hat der Klägerin zu Recht nicht mehr als 8 % der Kosten auferlegt.

Nach Teilanerkenntnis und Teilrücknahme ist eine einheitliche Kostenentscheidung im Urteil zu treffen. Wegen des Grundsatzes der Kosteneinheit sind die auf die Rücknahme entfallenden Kosten, die gemäß § 269 Abs. 3 ZPO der Kläger zu tragen hat, nicht auszusondern, sondern es ist nach ganz herrschender Meinung einheitlich durch Schlussurteil zu entscheiden und eine Kostenquote zu bilden. Dabei ist die Quote nicht einfach nach dem Verhältnis des zurückgenommenen Teils zu dem Gesamtstreitwert zu bilden, weil dabei unberücksichtigt bleiben würde, dass die später im Verlaufe des Rechtsstreits anfallenden Gebühren ggf. nach einem geringeren Streitwert zu berechnen sind. Wie die Quote stattdessen zu berechnen ist, ist umstritten.

Nach einer Auffassung (Schneider, Die Kostenentscheidung im Zivilurteil, 2. Aufl., 3. 197 if.) entspricht die Teilrücknahme einem Teilunterliegen gemäß § 92 Abs. 1 ZPO. Für jede Gebühr sei eine dem Streitwert und dem Unterliegen bzw. Obsiegen angepasste Quote zu bilden und der Anteil betragsmäßig zu ermitteln. Die so ermittelten Beträge seien anschließend zu addieren und in das Verhältnis zu den tatsächlich entstandenen Gesamtkosten zu setzen. Daraus ergebe sich die auszusprechende Kostenquote.

Nach anderer Auffassung (Anders/Gehle, Das Assessorexamen im Zivilrecht, 6. Aufl., Rn. 174 m.w.N.) wird die Kostenquote dadurch ermittelt, dass die Mehrkosten, die auf den zurückgenommenen Teil entfallen, errechnet und diese in das Verhältnis zu den tatsächlich entstandenen Kosten gesetzt werden.

Der Senat folgt der zweiten Meinung. Nach der ersten Meinung würde der Beklagte allein dadurch besser gestellt, dass der Kläger zunächst mehr als den anerkannten Betrag verlangt. Dafür ist kein Grund ersichtlich. Zudem würde nach der ersten Methode für den Kläger der Anreiz für eine teilweise Klagrücknahme entfallen. Schließlich liegt - anders als bei einem Teilunterliegen - keine der Rechtskraft fähige Entscheidung über den zurückgenommenen Teil vor, weil bei einer Klagrücknahme rückwirkend die Rechtshängigkeit entfällt. Eine von der Gegenmeinung angenommene Vergleichbarkei~ von Teilrücknahme und Teilunterliegen ist daher nicht gegeben.

Nach der Mehrkostenmethode hat das Landgericht der Klägerin die Kosten mit 8 % zumindest nicht zu einem zu niedrigen Anteil auferlegt.

Auf der Grundlage eines Streitwertes von 15.183,14€ sind vorliegend folgende

Gebühren entstanden;

lGebühr nach GKG KVl2ll à 242,—€= 242,00€

2 x 1,3 Gebühren nach RVG KV 3100 ä 735,80€ = 1.471,60€

2 x 1,2 Gebühren nach RVG KV 3104 ä 679,20€ = 1.358,40€

zusammen 3.072,00 €.


Auf der Grundlage des um den zurückgenommenen Teil reduzierten Streitwertes in Höhe von 12.006,-- € wären folgende Gebühren entstanden:

- 1 Gebühr nach GKG KV 1211 ä 219,00€ 219,00€

- 2 x 1,3 Gebühren nach RVG KV 3100 ä 683,80 €= 1.367,60€

- 2 x 1,2 Gebühren nach RVG KV 3104 ä 631:20 € = 1.262,40 €

zusammen 2.849,00 €.

Die Mehrkosten in Höhe von 223,— € machen nicht mehr als 8 % der tatsächlich angefallenen Kosten aus, so dass die sofortige Beschwerde unbegründet ist.

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 97 Abs. 1 ZPO.


Dienstag, 8. Januar 2008

Schluss mit Nötigung durch Handy-Provider



Wer hat es noch nicht erlebt?   -  Ein Handy-Vertrag ist schnell geschlossen, es werden günstige Tarife in der Home-Zone oder Ähnliches versprochen - und dann funktioniert es nicht. Etliche Telefonanrufe werden durch gewiefte Call-Center in das Kommunikations-Nirvana geschickt, Emails werden ignoriert, nur das Mahnwesen arbeitet routiniert. Wer die Vergütung wegen nicht erbrachter Leistungen kürzt, wird kurzerhand der SCHUFA und dem "Fraud Prevention Pool" gemeldet. Folge: kein neuer Handy-Vertrag mehr, man ist auf Prepaid-Karten angewiesen und die Kreditwürdigkeit ist auch hin, das alles, weil der Vertragspartner seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist.

Immerhin kündigen die Provider mit drohendem Ton diese Maßnahmen zu Beginn der Mahnserien an. Viele zahlen wegen der Drohungen lieber für nicht erhaltene Leistungen. 

FALSCH: Dies ist der richtige Zeitpunkt, um sich zu wehren

Und die Gerichte helfen. Nachstehend ein Urteil des AG Plön -2 C 650/07 in Auszügen, das in erfrischender Kürze und Deutlichkeit den Providern ihr rechtswidriges Verhalten um die Ohren haut.
WICHTIG: Das Gericht hatte zwar einen Einzelfall zu entscheiden. Es handelt sich aber um eine typische Fall-Konstellation mit typischem Verhalten eines Providers.

Das Urteil wir bereits mit Freude auf den einschlägigen Onlineplattformen publiziert und diskutiert. Eine Pdf-Version zum Download steht bei MIT - Medien Internet und Recht bereit.

Nähere Informationen geben wir Ihnen gerne unter: Kanzlei@Raudszus.org



Das Urteil

In dem Rechtsstreit
xxx - Klägerin - 
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwälte Raudszus & Gebhardt
                                       Hamburger Straße 27, 24306 Plön
gegen
Debitel AG xxx - Beklagte -
hat das Amtsgericht Plön am ......... für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, die Klägerin wegen der streitigen Forderungen aus dem Telekommunikationsvertragsverhältnis der Parteien beider Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung (SCHUFA) oder dem Fraud Prevention Pool zu melden, bevor sie einen rechtskräftigen Titel über die Forderungen erwirkt hat.

Für den Fall der Zuwiderhandlung wird der Beklagten ein Ordnungsgeld bis
zu 250.000 € angedroht.


Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Kosten in
Höhe von 62,64 € zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar,
Entscheidungsgründe;
(unter Verzicht auf den Tatbestand gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO)


Aus den Gründen:

Nach diesen Vorschriften hat die Beklagte es zumindest derzeit zu unterlassen, einen negativen „SCHUFA“-Eintrag und einen Eintrag im „Fraud Prevention Poor‘ gegen dip Klägerin zu veranlassen, denn dies wäre eine unzulässige Datenübermittlung und ein Verstoß gegen den Datenschutz und damit gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin.

Eine „SCHUFA“-Meldung darf nur bei vertragswidrigem Verhalten des Schuldners und nur nach Abwägung der betroffenen Interessen erfolgen. Dies führt in aller Regel und auch hier dazu, dass bestrittene Zahlungsverpflichtungen nicht gemneldet werden dürfen. Die sog. „Schufa -Meldung stellt einen schweren Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen dar; sie :kann ihn erheblich schädigen, indem sie seine Kreditwürdigkeit beeinträchtigt und ihm dadurch den Zugang zu vielen Bereichen des täglichen Wirtschaftslebens erschwert oder versperrt. Sie darf daher nicht erfolgen, wenn ein Anspruchsgegner seine Zahlungspflicht mit ernst zu nehmenden Argumenten bestreitet.

So liegt der Fall hier. Ob die Klägerin zur fristlosen Kündigung des Vertrages berechtigt war und ob für die Zeit nach der Kündigung noch Zahlungsverpflichtungen bestehen, ist zwischen den Parteien streitig. Die Frage bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung; jedenfalls aber sprechen für die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung gute Gründe. Vor diesem Hintergrund kommt eine „SCHUFA“-Meldunggegen die Klägerin gegenwärtig nicht in Betracht. Ebenso verhält es sich mit einer Meldung an den „Fraud Prevention Pool“. Zwar resultieren aus einem solchen Eintrag keine so schweren Beeinträchtigungen wie aus einem „Schufa“-Eintrag. Auch hierbei handelt es sich jedoch um eine Datenübermittlung zum Nachteil des Betroffenen in der Telekommunikationsbranche, die nur zur Wahrnehmung berechtigter Interessen zulässig ist, die gegenüber den Interessen des Betroffenen überwiegen müssen. Dies ist hinsichtlich einer mit gewichtigen Argumenten bestrittenen Forderung nicht der Fall.

Die Klägerin musste die Meldungen, deren Unterlassung sie begehrt, seitens der Beklagten auch i.S.d. § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB befürchten. Sie wurden ihr mit Schreiben vom 13. November 2006 ausdrücklich angedroht. Ob es sich dabei, wie die Beklagte in der Klageerwiderung erklärt, „um eine Standardinformation“ handelt, vermag der Erklärungsempfänger nicht zu erkennen; im Übrigen ist es unerheblich, denn auch bei eine „standardmäßigen“ Androhung muss der Empfänger damit rechnen, dass diese sodann - gewissermaßen ebenfalls „standardmäßig“ - die Meldung nach sich zieht. 

Im Übrigen hat die Beklagte die Androhung mit Schreiben vorn 24. November 2006 
ausdrücklich - und nicht standardmäßig, sondern, durch einen individuell auf das Schreiben des Klägervertreters vom 21. November 2006 bezogenen Text - aufrecht erhalten und sogar konkretisiert. Die Formulierung „... Die ... Kreditgefährdung liegt somit im Verantwortungsbereich ihrer Mandantin“ kann der Empfänger nur dahin verstehen, dass die Beklagte zur Meldung entschlossen ist, sofern die Forderungen nicht ausgeglichen werden - und zwar unabhängig von dem Bestreiten.

Montag, 6. August 2007

Wann ist ein Bescheid der Familienkasse ausreichend begründet?

Das Problem:
Die Familienkasse lehnt einen Antrag auf Kinderzuschlag ab mit der Begründung, das Einkommen sei zu hoch. Den Berechnungsbogen fügt sie nicht bei. Den Widerspruch dagegen weißt sie zurück und fügt jetzt erstmals einen Berechnungsbogen bei - leider den falschen. Die Antragstellerin erhebt Klage und erhält Akteneinsicht. Jetzt sieht ihr Anwalt erstmasl den richtigen Berechnungsbogen und stellt fest, dass die Entscheidung richtig ist. Er erklärt die Klage für erledigt und beantragt, der Familienkasse die Kosten aufzuerlegen.
Die Familienkasse wehrt sich mit der Behauptung, der Berechnungsbogen habe jederzeit angefordert werden könnnen.
Das Sozialgericht Kiel (Az: S 20 KG 27/06) hat mit Beschluss vom 18.7.2007 der Antragstellerin Recht gegeben. Die wesentlichen Gründe:

Die Klage hätte zwar nicht zum Erfolg geführt, jedoch hat die Familienkasse Anlass zur Klagerhebun gegegeben.Ein Bescheid ohne Berechnungsbogen ist regelmäßig nicht nachvollziehbar und daher rechtswidrig.

Ein Widerspruchsbescheid mit beigefügter falscher Berechnung ist schon allein deswegen rechtswidrig-

Nur durch Klageerhebung konnte sich die Antragstellerin wehren und zu einer Überprüfung gelangen.
$ 14 BKGG berührt nicht den Begründungszwang.
Der Familienkasse ist es zuzumuten, den Berechnungsbogenmit zu versenden. Anerenfalls fehlt es an der notwendigen Transparenz.

Mittwoch, 18. Juli 2007

Kinderzuschlag auch für Rentner?

L 1 E 420/07 KG PKH Ablichtung
S 20 KG 11/06 SG Kiel .
SCHLESW1G-HOLSTEINISCHES LANDESSOZIALGERICHT

BESCHLUSS
ln dem Beschwerdeverfahren

- Kläger und Beschwerdeführer -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Raudszus, Gebhardt, Hamburger Straße 27,
24306 Plön, - 1186/05G01 ko -
gegen
Familienkasse Hamburg Stützpunktfamilienkasse, Kurt-Schumacher-Allee 16, 20097 Hamburg, - F01 - K 23/06
- Beklagte und Beschwerdegegnerin -
hat der 1. Senat des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts am 5. Juni 2007 in Schleswig ohne mündliche Verhandlung durch
den Präsidenten des Landessozialgerichts Dr. Stoll, die Richterin am Landessozialgericht Brandt, die Richterin am Landessozialgericht Daumann, beschlossen:
Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Kiel vom 15. März 2007 aufgehoben und dem Kläger Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Gebhardt bewilligt.


Gründe
Die Beteiligten streiten im Hauptsacheverfahren um die Gewäh­rung von Kinderzuschlag nach § 6a Bundeskindergeldgesetz (BKGG).
Der 19.. geborene Kläger lebt mit seinen 1996 und 1998 gebore­nen Kindern in häuslicher Gemeinschaft. Er bezieht eine Rente der Landwirtschaftlichen Alterskasse in Höhe von 546,33 EUR sowie eine Altersrente der gesetzlichen. Rentenversicherung in Höhe von 133,08 EUR. Zudem erhält er Kindergeld in Höhe von 308,00 EUR. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 17. November 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26. April 2006 den Antrag des Klägers auf Gewährung von Kinderzuschlag ab, da der Kläger das 65. Lebensjahr bereits vollendet. habe und Altersrente beziehe und damit nicht berechtigt sei, Leis­tungen nach dem Sozialgesetz­buch Zweites Buch (SGB II) zu be­ziehen. Da somit keine Hilfebe­dürftigkeit nach § 9 SGB II vor­liege, könne diese folglich auch nicht durch den Kinderzu­schlag vermieden werden.
Hiergegen. richtet sich der Kläger mit seiner am 17. Mai 2006 vor dem Sozialgericht in Kiel erhobenen Klage, zu deren Be­gründung er zum einen vorträgt, dass die in § 6 Abs. 1 Zif­fer 3 BKGG vorausgesetzte Hilfebedürftigkeit dahin zu verste hen sei, dass der Begriff der Hilfebedürftigkeit aus § 9 SGB II übernommen werde. Danach sei der Kläger hilfebedürftig, Im Übrigen würde eine Formulierung, nach. der ein. Rentner als Vater von minderjährigen Kindern grundsätzlich von der Gewäh­rung von Kin­derzuschlag ausgenommen sei, der Diskriminierungs­richtlinie der Europäischen Union widersprechen. Denn der Kläger würde dann aufgrund seines Alters gegenüber anderen dis­kriminiert werden.
Mit Beschluss vom 15. März 2007 hat das Sozialgericht den gleichzeitig gestellten Antrag des Klägers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt, weil die Klage keine Aussicht auf Erfolg biete. Das Sozialgericht hat auf die gesetzlichen Bestimmungen des § 6a Abs. 1 Ziffer 3 BKGG in Verbindung mit § 9 SGB II verwiesen, woraus sich ergebe, dass der Kinderzu­schlag nicht an Personen gezahlt werden könne, die nicht hil­febedürftig im Sinne des § 9 SGB II werden könn­ten. Außerdem enthalte Abs. 4 SGB II die Regelung, dass Leistungen nach dem SGB II nicht erhalte, wer Rente wegen Alters beziehe. Die­se Rechtslage verstoße auch nicht gegen höherrangiges Recht. Denn es liege weder ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleich­heitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) noch gegen das europarechtliche Verbot der Diskriminierung wegen Alter vor. Im Anschluss an die Entscheidung des Sozialgerichts Aachen vom 30. September 2005 - S 8 KG 1/05 - hat das Sozialgericht weiter ausgeführt, dass der Kinderzuschlag nicht nur finanzielle Belastungen aufgrund der Kindererziehung ausgleichen solle, sondern auch einen Erwerbsanreiz setzen solle.
Hiergegen richtet sich die am 11. April 2007 erhobene Be­schwerde des Klägers, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat. Zur Begründung trägt der Kläger im Wesentlichen vor, dass nach seiner Auffassung der europarechtlichen Richtlinie zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung von. Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf, in der genau festgelegt sei, wann ein. Diskriminierungsverbot gerechtfertigt sein könne, vom. bundesdeutschen Gesetzgeber in bundeseinheit­liches Recht nicht rechtmäßig umgesetzt worden sei. Denn das Allgemeine Gleichbehand­lungsgesetz (AGG), in dem die europäi­sche Richtlinie umgesetzt worden sei, habe entgegen der Richtlinie nicht festgelegt, wann eine zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters möglich sei.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts sind die Voraussetzun­gen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe gegeben.
Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip gebietet eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten hei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. Dies schließt es nicht aus, die Gewährung von Prozesskostenhilfe davon abhängig zu machen,dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinrei­chende Aussicht auf Erfolg hat. Die Prüfung der Erfolgsaus­sicht soll jedoch nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung selbst in das summarische Prozesskostenhilfeverfahren zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen (vgl. BVerfGE 81, 347 Seite 357).
Zwar muss Prozesskostenhilfe nicht immer schon dann gewährt werden, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage noch nicht höchstrichterlich geklärt ist. Die Ablehnung der Gewäh­rung kann ungeachtet des Fehlens einschlägiger höchstrichter­licher Rechtsprechung gerechtfertigt sein, wenn die Rechtsfra­ge angesichts der gesetzlichen Regelung oder im Hinblick auf von bereits vorliegender Rechtsprechung bereitgestellte Ausle­gungshilfen ohne Schwierigkeiten verantwortet werden kann. Ist dies dagegen nicht der Fall und steht eine höchstrichterliche Klärung noch aus, so läuft es dem Gebot der Rechtsschutz­gleichheit zuwider, dem Unbemittelten wegen fehlender Er­folgsaussicht seines Begehrens Prozesskostenhilfe vorzuenthalen. Denn hierdurch würde der unbemittelten Partei im Gegen­satz zu der Bemittelten die Möglichkeit genommen, ihren Rechtsstandpunkt im Hauptsacheverfahren darzustellen und von dort aus in die höhere Instanz zu gelangen (vgl. Entscheidung des BVerfG vom 14. Juni 2006 - 2 BvR 626/06, 2 BvR 656/06 - m.w.N.- zitiert nach juris),
Gemessen an diesen Grundsätzen ist dem Kläger Prozesskosten­hilfe zu gewähren.
Die entscheidungserhebliche Frage, ob Al­tersrentner von der Gewährung von Kindergeldzuschlag nach § 6a BKGG ausgeschlossen sind, ist vorliegend höchstrichterlich. noch nicht geklärt. Nach den Ermittlungen in juris liegen zwei erstinstanzliche Entscheidungen vor, nach denen Rentner keinen. Anspruch auf Kinderzuschlag nach § 6a BKGG haben und nach de­nen der Ausschluss von Rentnern aus dem Anwendungsbereich der genannten Norm auch nicht gegen Verfassungsrecht verstößt (SG Aachen vom 30. September 2005 S 8 (4) KG 1/05; SG Koblenz vom 18. Mai 2006 - S 11 KG 14/03). Eine zweitinstanzliche Ent­scheidung liegt ebenso wenig vor, wie eine des Bundessozialge­richts. Nach Auffassung des Senats ist die Rechtsfrage auch angesichts der gesetzlichen Regelung nicht ohne Schwierigkeiten, d.h. nicht klar und eindeutig zu beantworten, da im Rah men einer möglichen Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes auch zu überprüfen ist, inwieweit die gesetzliche Grundlage des 5 6a BKGG gegen europäisches Recht (hier Art. 1, 6 der Richt­linie 2000 aus 78/EG) insofern verstößt, als der in der Geset­zesbegründung angegebene Grund des Erwerbsanreizes nicht von der Richtlinie gedeckt sein könnte.
Da die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klä­gers im Übrigen erfüllt sind, ist ihm antragsgemäß Prozesskos­tenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Gebhardt zu. gewäh­ren.



Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Dr. Stoll Brandt Baumann

Donnerstag, 12. Juli 2007

Identitätsnachweis für die Durchführung der Führerscheinprüfung

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In der Verwaltungsrechtssache
des Herrn ,
Klägers,
Proz.-Bev.: Rechtsanwälte Raudszus und andere,
Hamburger Straße 27, 24306 Plön, 546/06ROlwal
gegen
den Kreis Plön Amt für Sicherheit und Ordnung Veterinärwesen und Kommunalaufsicht, - Fahrerlaubnisbehörde -,
Hamburger Straße 17/18, 24306 Plön, - -
Beklagten,
Streitgegenstand: Ersterteilung einer Fahrerlaubnis
hat das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht - 3. Kammer - auf die mündliche Verhandlung vom 17. April 2007 durch die Richterin am Verwaltungsgericht Bussert als
Einzelrichterin für Recht erkannt:

Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 20.06.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.07.2006 verpflichtet, im Sinne von § 22 Abs. 4 FeV die zuständige technische Prüfstelle für den Kraftfahrzeugverkehr mit der Prüfung des Klägers zu beantragen und ihr den vorbereiteten Führer­schein ohne Angabe des Datums der Erteilung der beantragten Klasse B unmittelbar zu übersenden.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

.....
Tatbestand
Der Kläger ist kurdischer Volkszugehöriger und nach seinen Angaben syrischer Staats­bürger. Er reiste im Jahre 2001 in die Bundesrepublik Deutschland und stellte gemeinsam mit seiner Ehefrau und sieben gemeinsamen Kindern einen Asylantrag. Die Asylanträge des Klägers und seiner Familie wurden durch insoweit bestandskräftigen Bescheid vom 29. März 2001 abgelehnt. Durch Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 28. Mai 2004 wurde rechtskräftig festgestellt, dass die Voraussetzung des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich Syriens, sowie Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG im Hinblick auf Syrien nicht festzustellen seien. Für den Kläger gelte dies auch bezüglich seiner Ausreisepflicht und der erfolgten Abschiebungsandrohung. Bezüglich der Ehefrau des Klägers und der gemeinsamen Kindern erweise sich jedoch die Zielstaatsstimmung in dem angefochtenen Bescheid „syrische arabische Republik" ats rechtswidrig und sei da­her aufzuheben. Diese seien Staatenlose, so dass für sie nach dem illegalen Verlassen Syriens keine Möglichkeit mehr bestehe, dorthin zurückzukehren. Dementsprechend wür­de der Kläger durch eine Abschiebung nach Syrien möglicherweise von seiner Ehefrau und seinen minderjährigen Kindern, deren Abschiebung auf Dauer nicht möglich sei, auf unabsehbare Zeit getrennt werden. Deswegen bestehe bezüglich der Abschiebung des Klägers ein inlandbezogenes Vollstreckungshindernis.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung macht er geltend, dass mit dem Ausweisersatzpapier der Kläger seine wahre Identität unter keinen Umständen beweisen könne.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Parteien und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten, die der Kammer vorgelegen haben, verwiesen.
Der Rechtsstreit wurde mit Beschluss der Kammer vom 28. Februar 2007 der Berichter­statterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig. Dem Kläger geht ein Anspruch gegen­über dem Beklagten zu, die in §22 Abs. 4 FeV umschriebenen Maßnahmen zu ergreifen, wie aus dem Tenor ersichtlich. Gemäß der §§ 16 Abs. 3 Satz 3, 17 Abs. 5 Satz 2 FeV hat sich der Sachverständige oder Prüfer vor der Prüfung über die Identität des zu Prüfenden zu überzeugen. Gemäß § 21 Abs. 3 Nr. 1 FeV sind dem Antrag auf Erteilung einer Fahrer­laubnis unter anderem ein amtlicher Nachweis über Ort und Tag der Geburt beizufügen. Der Kläger verfügt über keinen der üblichen Nachweise wie Geburtsurkunde, Personal­ausweis oder nationaler Reisepass. Damit ist ihm ein Identitätsnachweis durch die her­kömmlichen in Betracht kommenden Dokumente verwehrt. Er verfügt jedoch über einen mit Lichtbild versehenen „Ausweisersatz". In diesem wird festgestellt: „Dieses Dokument gilt als Ausweisersatz". Wenn dieses Dokument einen Ausweis ersetzen soll, dann kann dies nur den Zweck haben im Rechtsverkehr dort, wo üblicherweise ein Ausweis verlangt wird, sich durch dieses „Ersatzpapier' zu legitimieren. Anderenfalls machte die Ausstel­lung eines derartigen Ausweisersatzes keinen Sinn. Auch wenn in dem Papier angekreuzt ist „die Personalangaben auf Seite 2 beruhen auf den eigenen Angaben des Inhabers", so ändert dieser Vermerk nichts an der Identifikationsfunktion des Papieres. Es ist davon auszugehen, dass die zuständige Behörde vor Ausstellung des Ausweisersatzes die vom Kläger getätigten Angaben auf seine Plausibilität hin überprüft hat und verschiedene In­formationsquellen genutzt hat, um die Angaben des Klägers nachzuvollziehen.
Der Vermerk dient dazu, einem etwaigen Missbrauch zu begegnen. Ein derartiges aus­länderrechtliches Missbrauchsverfahren ist jedoch im Bereich des Straßenverkehrsrech­tes nicht relevant. Die Frage der Nachweistauglichkeit des Ausweisersatzpapieres hat sich an dem Sinn und Zweck des § 21 Abs. 3 Nr. 1 FeV zu orientieren. Der Fahrerlaub­nisbewerber soll mittels der beigefügten Dokumente belegen, dass er das erforderliche Mindestalter für die Ablegung der Fahrprüfung besitzt und die im Ausweis abgebildete Person die Person des Antragstellers darstellt. Dieser Nachweis kann durch einen Aus­weisersatz ebenso geführt werden wie durch einen Personalausweis oder nationalen Rei­sepass. Es ist nicht ersichtlich, dass dadurch ein besonderes Risiko im Sinne des Stras­senverkehrsrechts begründet würde ( vgl. auch VG Stade, Beschluss vom 29.07.2004, 1 B 1167/04, in iuris ) Der Ausweisersatz ermöglicht den widerlegbaren Nachweis, dass sein Inhaber die in ihm genannte, beschriebene und abgebildete Person ist und die im Ausweisersatz enthaltenen Angaben mit den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen des Inhabers übereinstimmen. Der vom Beklagten in Bezug genommene Erlass des Mi­nisters für Wirtschaft, Technik und Verkehr des Landes Schleswig-Holstein vom 03.09.2002 (VH 424-621.421.06) entfaltet als Verwaltungsvorschrift lediglich interne Wir­kung und ist daher für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Verhaltens des Beklagten ohne Belang.
Der Klage war daher stattzugeben.

Donnerstag, 14. Juni 2007

Sonderbedarf

Nach § 1610 Abs. 2 Satz 1 BGB umfasst der Unterhaltsbedarf den "gesamten Lebensbedarf". Dieser setzt sich zusammen aus laufendem Bedarf (Wohnkosten, Ernährung, Kleidung, Krankenversicherung, Berufsausbildung etc.) und dem Sonderbedarf. Diesen definiert das Gesetz in § 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB als unregelmäßigen außergewöhnlich hohen Bedarf, der dem Unterhaltspflichtigen innerhalb eines Jahres nach seiner Entstehung gegenüber gerichtlich geltend gemacht werden muss, es sei denn, der Unterhaltspflichtige ist bezüglich des Anspruchs innerhalb der Jahresfrist wirksam in Verzug gesetzt worden. In diesem Fall setzt die regelmäßige Verjährungsfrist des § 197 Abs. 2 BGB für Unterhaltsansprüche (drei Jahre) ein.

Die unterhaltsrechtliche Abgrenzung zwischen laufendem und Sonderbedarf hat, wiewohl die §§ 1610, 1613 BGB im Kindesunterhalt (Verwandtenunterhalt) angesiedelt sind, Bedeutung für alle Unterhaltsrechtsverhältnisse, da die §§ 1360 a Abs. 3, 1361 Abs. 4, 1585 b Abs. 1 BGB auf die Vorschriften verweisen, die deshalb als allgemeiner Rechtsgedanke des Unterhaltsrechts zu verstehen sind1: Laufender Bedarf kann für zurückliegende Zeiträume nur ab Inverzugsetzung geltend gemacht werden, Sonderbedarf auch ohne Inverzugsetzung innerhalb eines Jahres nach Entstehung des Sonderbedarfs ohne vorherige Mahnung des Unterhaltspflichtigen.

Damit rückt aus Sicht des Praktikers die Frage des Sonderbedarfs insoweit ins Blickfeld, als die Befriedigung des Sonderbedarfs ja verfahrenstechnisch außerhalb der strengen Regelungen des Abänderungsverfahrens erfolgen kann. Der Sonderbedarf kann also deutlich flexibler und einfacher geltend gemacht, weshalb er dem Unterhaltsberechtigten ein willkommenes Instrument zur allfälligen Anpassung des Unterhalts an den jeweiligen Bedarf sein könnte. Doch Vorsicht ist geboten. Sonderbedarf liegt nur wegen eines unregelmäßigen, außergewöhnlich hohen Bedarfs des Berechtigten vor. Regelmäßiger außergewöhnlich hoher Bedarf des Berechtigten ist unterhaltsrechtlicher Mehrbedarf und daher als laufender Unterhalt ggf. als Zuschlag zu dem meist quotal bestimmten Unterhaltsbedarf des Berechtigten einzuklagen (trennungs-, ausbildungsbedingter Mehrbedarf). Ändert sich der regelmäßig auftretende Mehrbedarf, ist dieser wie die laufende Unterhaltsrente rückwirkend nur ab Verzug des Unterhaltsschuldners und ggf. mit der Abänderungsklage geltend zu machen. Die Abgrenzung von Sonder- und Mehrbedarf ist daher wichtig. Sie wird in der Praxis nicht immer sauber vollzogen. So stellt sich z.B. ein besonders kostenintensiver Klavierunterricht für ein hoffnungsvolles Jungtalent mit Ambitionen zum Berufsmusiker als ggf. zu finanzierender laufender Mehrbedarf dar, während dessen plötzlich sich ergebende Möglichkeit, an einem Meisterkurs in Prag teilzunehmen, Sonderbedarf ist, der (Leistungsfähigkeit unterstellt) vom Unterhaltspflichtigen zu finanzieren ist.

Was Mehr- und was Sonderbedarf ist, ist nicht immer leicht abgrenzbar. Sonderbedarf muss "unregelmäßig" und daher überraschend auftreten2, so dass Rücklagen aus laufenden Unterhaltsleistungen nicht gebildet und eingesetzt werden können. Was aber ist mit teilweise sehr teuren Schulfahrten und was, wenn eine kieferorthopädische Behandlung sich über Jahre erstreckt, deren (in Zukunft wachsender) Eigenanteil über die gesamte Behandlungsdauer in Raten zu erbringen ist? Die Sonderbedarfskasuistik zu den einzelnen Fragen ist vielfältig.

Juristisches Fingerspitzengefühl ist bei der Frage der Zuordnung eines Bedarfs als Sonder- oder Mehrbedarf gefragt. Dies gilt ganz besonders auch deshalb, weil im Bereich des Minderjährigenunterhalts von dieser Einordnung auch abhängt, ob der Bedarf ausschließlich vom barunterhaltspflichtigen Elternteil zu befriedigen ist, oder ob auch der Elternteil zur Deckung des Sonderbedarfs herangezogen werden kann, der die elterliche Sorge über das Kind ausübt, bei dem sich das Kind also aufhält. § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB, wonach der sorgende Elternteil nicht barunterhaltspflichtig ist, gilt für Sonderbedarf nicht. Bei Geltendmachung von Sonderbedarf ist daher stets zu prüfen, ob ggf. der sorgeausübende Elternteil zur Finanzierung des Sonderbedarfs mit heranzuziehen ist3.

Auch wann ein Bedarf "außergewöhnlich hoch" ist, um als Sonderbedarf qualifiziert zu werden, ist nur im konkreten Einzelfall zu entscheiden. Generell wird man sagen können, dass je niedriger der laufende Unterhalt ist, umso eher eine außergewöhnliche Höhe des Sonderbedarfs anzunehmen ist. Bis zur Einkommensstufe 6 werden daher beim Kindesunterhalt an die außergewöhnliche Höhe des Bedarfs keine allzu hohen Anforderungen zu stellen sein, markiert doch die Grenze von 135% des Regelbetrags auch gleichzeitig den notwendigen Bedarf des Kindes. Unterhalb dieses Bedarfs muss man davon ausgehen, dass der gesamte Barunterhalt des Kindes für laufende Bedürfnisse verwendet wird. Oberhalb der Einkommensstufe 6 können Rücklagen für Sonderbedarf gebildet werden, die im Fall seines Auftretens aufzulösen wären4. Eine feste Grenze zur Bestimmung der Höhe des Sonderbedarfs wird man wohl nicht aufstellen können5.

Sonderbedarf ist daher stets sehr konkret zu begründen und zwar bezüglich der Höhe, der Unplanbarkeit seines Entstehens und der Unzumutbarkeit der Finanzierung aus der laufenden Unterhaltsrente.